lunes, 11 de julio de 2011

BARBARA KLIMKE: "VERSAGEN VON POLITIK UND POLIZEI"


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Versagen von Politik und Polizei

Barbara Klimke

Britische Premierminister haben, wie es heißt, zwei Leben: eines vor und eines nach dem Wendepunkt ihrer Karriere. Margaret Thatcher war auf bestem Wege, die unbeliebteste Regierungschefin der Geschichte zu werden, ehe sie im Falkland-Krieg zur eisernen Ikone britischer Unbeugsamkeit aufstieg. Tony Blairs leuchtender Stern sank, als er gegen den Willen seines Volkes Bagdad bombardierte. Gordon Brown verspielte alle Sympathien, weil er sich nach der Machtübernahme vor Neuwahlen drückte. Sein Nachfolger, der konservative Premier David Cameron, ist nun durch eine törichte Personalentscheidung in die Abhöraffäre des Revolverblatts News of the World geraten. Es gibt Kritiker im Land, die glauben, er erlebe nun seinen Watergate-Moment.

Wie schwer der Skandal seinem Ansehen schadet, hängt von den Ermittlungen ab. Die Polizei hat erst begonnen, die Akten eines Falls wieder zu öffnen, dessen Details bis zum Himmel stinken. Der Geruch moralischer Fäulnis, der über Westminster liegt, wird so schnell nicht verfliegen: 4000 mögliche Bespitzelungsopfer will Scotland Yard kontaktieren. Darunter sollen nicht nur Prominente sein; es gibt Hinweise, dass sich Reporter und Privatdetektive in die Handys von Terroropfern, gefallenen Soldaten, sogar von minderjährigen, ermordeten Mädchen hackten.

Weitere Festnahmen stehen offenbar bevor, und mit jedem neuen Indiz wird sich die Öffentlichkeit ein weiteres Mal fragen: Wie konnte es passieren, dass ausgerechnet einer der ehemaligen Chefredakteure der Zeitung, die im Mittelpunkt der Untersuchung steht, als Kommunikationschef des Premierministers im Zentrum der politischen Macht in Downing Street Nummer 10 landete? Cameron ist kompromittiert - auch wenn sein früherer Medienstratege jede Mitschuld an den Machenschaften des Blattes bestreitet.

Im Versuch, den Schaden zu begrenzen, hat der Regierungschef schwere Verfehlungen in der Medienpolitik eingeräumt. Das Verhältnis zwischen Presse und Politik sei zu intim, lautete seine Analyse, die Selbstregulierung der Medien habe versagt. Die von den Medienunternehmen finanzierte Presseaufsicht, in der Tat nur ein Papiertiger, soll in einem ersten Schritt einer neuen Behörde weichen, die weitreichende Befugnis hat.

Wie so oft in der Politik hat Cameron, um die empörte Öffentlichkeit zu besänftigen, aus einer richtigen Erkenntnis den falschen Schluss gezogen. Eine Behörde mit enormen Befugnissen, die sich krimineller Machenschaften annimmt, hat das Vereinigte Königreich bereits seit 1829: Scotland Yard, also die Polizei. Telefone hacken, ist schon heute illegal, weshalb sich auch weitere Gesetze erübrigen. Versagt hat in Großbritannien auch nicht die Presse. Schließlich hat die Zeitung Guardian die mutmaßliche Bespitzelung von Verbrechensopfern aufgedeckt.

Als komplett unzulänglich und hochgradig unverantwortlich erwiesen sich hingegen Polizei und Politik. Schon 2003 berichteten Mitarbeiter von News International im Parlament von Zahlungen an Polizeibeamte. Ein Innenminister nach dem anderen ignorierte die Aussagen geflissentlich. Auch im Lichte neuer Hinweise auf Abhörpraktiken sah Scotland Yard 2009 keinen weiteren Handlungsbedarf. Den Gründen für die Untätigkeit der obersten Strafverfolger auf die Spur zu kommen, dürfte wichtiger sein als ein neues Pressegesetz.

Die verhängnisvolle Nähe zwischen Downing Street und Teilen der britischen Presse ist bekannt, seit die Sun, eine Murdoch-Zeitung wie die nun eingestellte News of the World, zugunsten von Margaret Thatcher erstmals von der Labour-Partei zu den Tories umschwenkte. Alle Parteichefs haben Murdoch seitdem hofiert, nicht selten gingen Minister bei den Dinnerpartys der Verlagsbosse ein und aus. Oppositionsführer Ed Miliband ist der Erste, der jetzt öffentlich mit den Murdoch-Medien brach. Der Labour-Chef, der über kein politisches Programm, aber dafür über bemerkenswerten opportunistischen Instinkt verfügt, forderte die Absetzung der verantwortlichen Verlagschefin Rebekah Brooks, einer ehemaligen Chefredakteurin des Skandalblatts.

Mit dem Schritt hat sich Miliband moralisch über den Premier erhoben und erstmals durchgehend Anerkennung im Land gefunden. Cameron wird nun ebenfalls zu seinen Medienfreunden auf Distanz gehen, schon aus politischem Überlebenstrieb. Das Mindeste, was erwartet werden kann, ist ein Aufschub der Entscheidung über Murdochs vollständige Übernahme des Senders BSkyB, der dieser Tage ansteht. Es wäre, legal oder nicht, ein anrüchiges Geschäft für einen Premier am Wendepunkt.

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Oppositionsführer Ed Miliband ist der Erste, der jetzt mit den Murdoch-Medien brach. Mit dem Schritt hat er sich moralisch über den Premier erhoben und erstmals durchgehend Anerkennung im Land gefunden.


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