sábado, 12 de marzo de 2011

EVELYN FINGER: LO DECISIVO EN EL FANATISMO

ISLAMISMUSWie groß ist die Gefahr?

Islamismus lässt sich nicht in Mordanschlägen messen. Und religiöser Fanatismus beginnt nicht erst beim Kauf von Waffen. Plädoyer für eine ehrliche Religionskritik

Nach dem Anschlag am Frankfurter Flughafen arbeiten Experten der Spurensicherung an einem Bus des US-Militärs.

Nach dem Anschlag am Frankfurter Flughafen arbeiten Experten der Spurensicherung an einem Bus des US-Militärs.

Um als religiöser Fanatiker erfolgreich zu sein, braucht man keine Waffen. Man braucht auch keine Ausbildung in Handgranatenweitwurf und kann getrost auf ein Trainingscamp für Terroristen verzichten. Denn das Entscheidende am Fanatismus ist, dass man alle Andersgläubigen, die man zu seinen Feinden erklärt hat, mundtot macht. Dazu muss man den Feind nicht erschießen. Es genügt, ihn einzuschüchtern, bis er aus Angst vor einem Attentat schweigt.

Seyran Ateş weiß, wie hasserfüllt Islamisten auch hierzulande sind. Die deutschtürkische Menschenrechtlerin und Religionskritikerin musste vor zwei Jahren, nach dem Erscheinen ihres Buches Der Islam braucht eine sexuelle Revolution, alle Lesungen absagen und untertauchen, weil sie mit dem Tod bedroht wurde. Ihrer Familie zuliebe hat sie sich seither Schweigen auferlegt. Doch das genügt ihren Verfolgern nicht. Jetzt ist wieder eine Gewaltdrohung per E-Mail gekommen. Ihr werde die Zunge abgeschnitten, wenn sie ein falsches Wort sage, kündigte vorige Woche ein Absender namens »İskender Büyük« (Alexander der Große) an, und zwar kurz nach Präsident Erdogans Anti-Assimilations-Rede. Im Betreff der E-Mail stand: »Du bist eine richtige Deutsche geworden, wer assimiliert ist, muss vorher eine Nutte gewesen sein.« Weiter schrieb İskender, sie solle sich keine Respektlosigkeiten erlauben, sonst würde sie ihre Zunge verlieren.

Dem Ketzer die Instrumente zeigen: So nannte man das in den dunklen Zeiten des Christentums. So machten es im 20. Jahrhundert die Gesinnungswächter der totalitären Erlösungsutopien. Und so handhabt es heute der militante Islamismus. Dessen absoluten Wahrheitsanspruch muss man sich noch einmal vergegenwärtigen, um die Gefährlichkeit der Glaubensfanatiker richtig einzuschätzen und sich nicht in Spekulationen über terroristische Waffenarsenale zu verlieren.

Von etwa vier Millionen Muslimen in Deutschland tendiere etwa ein Prozent zum Extremismus, sagt der Verfassungsschutz. Das klingt fast lächerlich, wenn man bedenkt, wieviele Deutsche den Islam fürchten. Es gibt jedoch auch Studien des Innenministeriums, wonach jeder vierte junge Muslim zur Gewalt gegen Andersgläubige bereit sei. An welche Zahlen soll man sich halten? Immer an die, die einem ins Konzept passen?

Vielleicht geht es gar nicht darum, die Gefahr zu messen, sondern zu verstehen. Fanatismus lässt sich nicht allein in gelungenen Mordanschlägen beziffern. Fanatismus beginnt nicht mit dem Attentat, sondern mit der religiösen Rechtfertigung von Unrecht. Erst kommt der einzig wahre Gott, dann der Hass auf die Gottlosen und dann die Gewalt. Irgendwo dazwischen entsteht die religiöse Gewaltfantasie. Auch sie ist eine Gefahr, und zwar für die Demokratie. Man kann Andersdenkende auch mit Worten attackieren.

Zunge rausreißen, Kehle abschneiden, Kugel in den Kopf jagen: Seyran Ateş kennt die Drohungen seit Jahrzehnten. Die Muslimin, 1963 in Istanbul geboren, vertrat als Rechtsanwältin in Berlin unter anderem muslimische Mandantinnen, die Opfer von religiös begründeter Gewalt in der Ehe wurden. Während ihrer eigenen Studienzeit erschoss ein fanatisierter Mann eine Klientin und verletzte Seyran Ateş lebensgefährlich.

Seither hat sie mit dem kühlen Blick der Juristin immer wieder über alltäglichen Islamismus, aber auch über zunehmende Islamophobie geschrieben. Sie warnte davor, dass Identitätsbildung bei jungen Migrationsverlierern in Deutschland über den radikalen Islam erfolge, aber auch davor, den radikalen Imamen durch Islamfeindlichkeit in die Hände zu spielen. Ihr Buch mit dem provozierenden Titel Der Multikulti-Irrtum gehört zum Besten, was in Deutschland über den beiderseitigen Konflikt zwischen Mehrheitsgesellschaft und Migranten erschienen ist. Doch weil Ateş die Demokratietreue vieler konservativer deutscher Muslime bezweifelte und weil sie die Diskrepanz zwischen einigen unserer freiheitlichen Grundrechte und etwa dem Frauenbild der Scharia aufzeigte, hat sie so viele Hass-Mails von selbst ernannten Rechtgläubigen bekommen, dass die mittlerweile ein Buch füllen würden.

Wie gefährlich sind eigentlich E-Mails? Man könnte sagen, weil Frau Ateş noch lebt, kann die Gefahr so groß nicht sein. Aber was ist das für ein Leben? Anonym und in einer verfassungsmäßig garantierten Meinungsfreiheit, die zu nutzen sie sich fürchten muss. Sie bekommt allerdings auch Briefe von deutschen Muslimen, die ihr zu ihrem Mut gratulieren und sie bitten, nicht zu schweigen, damit der liberale Islam gehört wird.

Was heißt das überhaupt, »der« Islam? Es gibt keinen einheitlichen Islam, sondern nur die verschiedensten Muslime. Liberale Religionskritiker haben immer wieder auf die Vielfalt muslimischen Glaubens hingewiesen, doch das bewahrte sie nicht davor, von Journalisten als islamfeindlich kritisiert und in eine Reihe mit Vereinfachern wie Sarrazin gestellt zu werden. Die Dynamik der Islamdebatte hat eine unselige Frontstellung erzeugt, die eine differenzierte Kritik an den Fundamentalisten fast nicht mehr erlaubt. Denn wer die Grundlagen von Religion kritisiert, steht mittlerweile unter Verdacht. »Bitte nennen Sie mich nicht Islamkritikerin«, sagt Seyran Ateş, »das Wort ist so negativ besetzt. Das klingt dann gleich, als ob ich den Islam ablehne.«

Der Fall Ateş ist für die Situation in Deutschland so bezeichnend, weil er auf einen blinden Fleck in der Debatte verweist. Religionskritik wird gern als Religionsfeindschaft missverstanden, damit man sich den Argumenten nicht aussetzen muss. Wir kennen das in moderaterer Form aus der aktuellen Kirchenkrise, wo gewisse Amtsträger gewisse Reformer schon mal als antitraditionalistische Kulturkämpfer titulieren. Allerdings: Kirchenkritik ist in Deutschland nicht des Teufels, wohingegen Islamkritik fast schon ein Synonym für Islamophobie geworden ist.

Man verteidigt den Islam nicht besonders überzeugend, wenn man seine Kritiker beschimpft und mit den Fremdenfeinden in einen Topf wirft. Und man kommt aus der Falle der wechselseitigen Relativierungen nur heraus, wenn man sowohl Islamophobie als auch Islamismus vom Standpunkt der Aufklärung kritisiert.

Dazu gehört die Frage, was der Islam mit dem Islamismus zu tun hat. Es gibt viele Journalisten, die behaupten, das eine habe mit dem anderen nichts zu tun. Diese Behauptung schützt einen sicherlich vor dem Vorwurf, alle Muslime unter Generalverdacht stellen zu wollen. Aber sonst führt sie zu nichts. Nur zu der naiven Annahme, dass die Welt des Glaubens sich unterteilen lässt in die schöne saubere Religion und ein paar durchgeknallte Kriminelle.

Ach, wenn es so einfach wäre! Dann wäre der pakistanische Minister für religiöse Minderheiten vielleicht nicht ermordet worden, bloß weil er gegen ein Blasphemiegesetz opponierte. Oder es hätte für diesen Mord zumindest keinen Beifall gegeben. Den Beifall gab es aber. Und was lehrt uns das? Dass der Islam islamistisch ist? Nein.

Es ist für eine Gesellschaft existenzbedrohend, wenn Religion zur Rechtfertigung von Gewalttaten missbraucht wird und wenn ein geschlossenes Weltbild zur Motivation einer kriegerischen Moral dient. Dagegen hilft auch nicht, im Koran zu kramen, um herauszufinden, ob der Islam nun eine Schwertreligion (»Das Paradies liegt im Schatten der Schwerter«) oder eine Friedensreligion ist (»Wahrer Friede ist die vollkommene Harmonie zwischen Gott, der Schöpfung und den Menschen«). Ebenso gut könnte man aus der Bibel herauspräparieren wollen, ob der Christengott nun ein strafender Gott oder ein Gott der reinen Gnade sei. Möglich ist beides. Welche Interpretation sich durchsetzt, ist eine Machtfrage. Und die entscheidet sich früh. Es kommt immer darauf an, wer reden darf und wer nicht. Das ist der Grund, warum Fundamentalisten ihre Kritiker mundtot machen wollen.

Auch deshalb geht es jetzt darum, die seriösen Religionskritiker zu hören. Leider sind die Vereinfacher auf dem Vormarsch. Wer den Islamismus beim Namen nennt, kann merkwürdige Vorwürfe bekommen. Als eine Frauenrechtlerin voriges Jahr über die Hinrichtung einer angeblichen Ehebrecherin in Afghanistan durch die Taliban berichtete, wurde ihr Religionsfeindlichkeit vorgeworfen. Und sie wurde bohrend gefragt, was die Taliban denn mit dem Islam zu tun hätten.

Ebenso gut könnte man fragen, was die Gulags mit dem Kommunismus zu tun hatten. Marx predigte zwar nicht die Ermordung von Millionen Menschen, und es gab in der Geschichte des linken Totalitarismus viele harmlose Kommunisten, die bloß an das Paradies der Gerechtigkeit glaubten. Trotzdem muss jeder Linke sich fragen lassen, ob die Idee der sozialen Gerechtigkeit historisch kontaminiert ist – und inwiefern das Totalitäre in der Theorie schon angelegt war.

Was kann der Islam für den Islamismus? Nichts. Aber es gibt fließende Übergänge zwischen Religion und religiösem Wahn, das heißt zwischen harmlosen Glaubensvorschriften, deren repressiver Auslegung und Gewalt. Die Aufgabe besteht darin, den Punkt auszumachen, wann eine Ideologie in Terror kippt und wo Religion fanatisch wird. Erst wenn man das weiß, kann man Fanatisierung verhindern.


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